Es ist ein wenig kühn, das Wort „graven“ im Deutschen zu verwenden. Wir könnten auch „beizen“ sagen, aber wer denkt dabei noch an den köstlichen schwedischen Gravlax oder Gravad Lax, der wohl aus alter Zeit etwas mit „(ein)graben“ zu tun hat. Es handelt sich um eine Zubereitungsart, bei der roher Fisch auf kaltem Wege in eine Köstlichkeit verwandelt wird.
Ein Angler, der nun nicht gerade laufend Lachse fängt, könnte jetzt versucht sein, nicht weiterzulesen; er sollte es trotzdem tun, denn man kann fette Fische wie Meerforellen, Forellen, Makrelen und Heringe graven. Außerdem kann man auch frische Fische guter Qualität kaufen, was natürlich auch Angler wissen und ihres Rufes wegen ausnutzen.
Von besonderem Vorteil ist, daß das Graven keinen apparativen Aufwand erfordert und daher auch im Urlaub ohne Schwierigkeiten eingesetzt werden kann. Auch eingefrorener Fisch kann (nach dem Auftauen) gegravt werden.
Der Fisch wird zunächst filetiert, die Haut muß jedoch an den Filets bleiben. Alle Flossen sind samt ihrer Ansätze wegzuschneiden. Bei Lachs und Meerforelle sollte man das (wenige) weiße Fleisch entfernen, weil es nach dem Beizen nicht so appetitlich aussieht, wie das rosafarbene Fleisch.
Sehr erleichtert wird das Filetieren durch ein geeignetes Messer. Ich verwende ein wahrscheinlich waffenscheinpflichtiges Finnmesser mit einer dünnen und sehr scharfen 16cm langen Klinge.
Die Filets müssen vollständig entgrätet werden. Dazu gehört nicht nur die Entfernung der großen Gräten im Bauchbereich, sondern auch die kleinen Seitengräten bei Forelle und Lachs sollten nicht im Filet bleiben, da sie nachher das Aufschneiden behindern. Wenn man mit dem Finger über das Filet streicht, spürt man jede einzelne dieser Gräten, die man mit einer Pinzette herausziehen kann.
Nach diesen Vorbereitungen ist es selbsverständlich, die Filets noch einmal kurz unter fließendem Wasser abzuspülen und anschließend mit Küchenpapier trockenzutupfen.
Beim Graven wird der Fisch mit einer Mischung aus Salz, Pfeffer, Zucker und Dill eingerieben. Mein Lieblingsrezept lautet so:
Für einen Fisch von 1.5 kg nehme ich 40g Salz, 60g Zucker, 1 Teelöffel frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer sowie ein Bund frischen oder ca. 3 Teelöffel getrockneten Dill – ggf. beides. Man könnte versucht sein, die Zuckermenge für zu groß zu halten, aber für echten skandinavischen Gravlax muß es so sein. Der Zucker schmeckt nicht durch, der Fisch bleibt lieblich und das Salz dominiert nicht den Geschmack. Im Laufe von Experimenten hatte ich den Zuckeranteil erhöht, bis ich dieses Rezept in einem guten Kochbuch fand. Hier ist auch noch von 60 ml Cognac die Rede. Ich habe das ausprobiert, aber entscheidend für das Ergebnis scheint mir der Cognac nicht zu sein.
Frischer Dill ist zu bestimmten Jahreszeiten und in fernen Ländern nicht immer zu bekommen. Nach meiner Erfahrung gelingt das Graven auch mit getrocknetem Dill tadellos, den man immer bekommt, gut aufbewahren und mitnehmen kann. Ist der Fisch bzw. die Fischmenge größer oder kleiner, werden die oben angegebenen Mengen entsprechend vergrößert oder verringert.
Da man sicherlich die Fische nicht eingraben wird, braucht man ein geeignetes Gefäß, das einen flachen Boden hat und die sich bildende Lake aufnehmen kann. Für kleinere Fische dürfte so etwas in jedem Haushalt zu finden sein. Für größere Fische, die es bei Anglern ja (fast) ausschließlich gibt, nehme ich gern unseren langen Fischkochtopf aus Edelstahl.
Ein Filet wird mit der Hautseite nach unten in das Gefäß gelegt und mit der Hälfte der Mischung aus Salz, Pfeffer, Zucker und ggf. getrockneten Dill gleichmäßig bestreut. Der Cognac wird jetzt aufgeträufelt und der gehackte frische Dill aufgebracht. Das zweite ebenso behandelte Filet wird mit der Haut nach oben mit dem Schwanzende auf das Kopfende des anderen Filets gelegt, mit einem Brett oder ähnlichem und einem Gewicht beschwert. Wenn ich den Fischkochtopf nehme, benutze ich den Einsatz und einen Stein oder eine Flasche.Jetzt kommt das ganze – vernünftig abgedeckt – in den Kühlschrank und verbleibt dort mindestens 48 Stunden. Der Fisch ist in dieser Zeit ein- bis zweimal zu wenden.
Nach dieser Zeit ist der Fisch fertig zum Essen. Die Lake wird abgegossen und der überschüssige Dill mit dem Messerrücken entfernt. Das Filet kann nun wie Räucherlachs mit einem langen, dünnen und scharfen Messer aufgeschnitten werden. Das zweite Filet wird am besten eingefroren – es verliert nicht an Qualität, wenn es nicht zu lange in der Kühltruhe bleibt.
Eigene Erfahrungen habe ich mit Lachs, Meerforelle, Forelle und Hering. Bei Hering beschränkt man sich natürlich nicht auf zwei Filets. Ich achte aber darauf, daß die Filets eines Herings beim Graven zusammenbleiben. Die bestreuten Filets werden in einem kleineren Gefäß jeweils Innenseite gegen Innenseite möglichst dicht gestapelt. Nach dem Graven entferne ich die Haut und friere die nicht sofort benötigten Filets in kleinen Portionen ein. Sie schmecken sehr pikant auf Brot und sind eine wahre Delikatesse.